Zuallererst:
In diesem Blog geht es nicht um mein neues Projekt Märchen & Meditation wie zuletzt angekündigt.
Mehr als sieben Monate sind seitdem vergangen. Und auch wenn ich diese Zahl rückblickend sehr bezeichnend finde (immerhin wollte ich mit euch und Zwergen durch Täler wandern, um uns mit Riesen auf Gipfel zu schwingen …), entschuldige ich mich für die lange Zeit des Schweigens.
Es hätten ja auch bloß sieben Wochen oder sieben Tage sein können.
Immerhin habe ich in den letzten Monaten meiner Angstwolke dabei zugesehen, wie sie immer kleiner wird und fröhlich, wie eine Sternschnuppe über den Himmel zieht
(wie angekündigt; wenn auch allein statt mit euch zusammen). Aber nun bin ich bereit, euch an den daraus entstandenen Geschichten teilhaben zu lassen.
Wann mir das klar wurde? Dieser Blog handelt davon …
Ihr kennt das vielleicht. Ihr steht vor einem Bücherregal (zu Hause, in einer Bibliothek oder in einer Bücherei), um ein bestimmtes Buch in die Finger zu bekommen. Und dann fällt euch ein ganz anderes ins Auge. Vielleicht ist der Einband bunter. Oder besonders alt. Oder besonders dick.
Ihr greift zu. Und wie ihr es so in den Händen haltet, nehmt ihr den Titel erst so richtig war.
In meinem Fall war es „Alice im Wunderland“. ...
Eine besonders schön illustrierte Ausgabe von Robert Ingpen.
Abgesehen davon, dass ich seinen Malstil bewundere, seine Zeichnungen durchweg liebenswert und fürs Auge berauschend finde, war es diese „fallende“ Alice auf dem Einband, die mich in diesem Moment fesselte. So leicht, so hilflos und trotz allem unbekümmert schwerelos. Meine eigentliche Absicht war vergessen.
Ehrlich gesagt weiß ich heute nicht mehr, welches Buch ich aus meinem Bücherregal nehmen wollte. Mit dem dicken, schmucken Band von „Alice im Wunderland“ auf meinem Schoß ist mir das aber auch mittlerweile völlig egal.
Gut fühlt er sich an (sorry ihr E-Book-Reader, aber euch entgeht was)! Schwer und kühl, dick trotz des seidenweichen Papiers. Ich blättere jede dieser Seiten (extra nur wenige täglich) mit Genuss um und lasse den Text zusammen mit den lebhaften Zeichnungen auf mich wirken. Und es kommt mir vor, als ob jemand die Erlebnisse meines letzten Jahres in einem Nonsensmärchen aufgearbeitet hätte.
Und das gut 110 Jahre vor meiner Geburt!
Ich hatte gerade erst das Inhaltsverzeichnis studiert, als ich mich das erste Mal verblüfft zurücklehnte.
Besser hätte ich die letzten Monate nicht unterteilen und umschreiben können. Mit ein wenig Neid aber noch viel mehr Bewunderung begann ich, Lewis Carrolls Kinderbuch zu lesen. Nach Jahren wieder einmal. Diesmal mit einem ganz anderen Blick für die Schönheit seines Textes. Und da erst wurde mir bewusst, warum dieses Buch zu den Klassikern der Weltliteratur zählt. Was sagt es uns denn schon, dass es Bestandteil
der ZEIT-Bibliothek DER 100 Bücher ist und auf der Liste DER 1.000 Romane steht, die jeder gelesen haben muss (laut der britischen Zeitung „The Guardian“).
Erfahren musste ich es selbst. ...
Das erste Kapitel „Hinunter in den Kaninchenbau“ traf mich als Erstes.
Die ersten Sätze. Mitten ins Herz. Treffer.
Das Fallen, die Schwerelosigkeit, die Langsamkeit mit der die neuen Eindrücke so bunt und fremd an Alice vorüberziehen. Und an mir. Trotz allem zu schnell, um darüber nachzudenken.
Dann, plumps, der Aufprall.
Abgefedert und doch abrupt. Angekommen und doch fremd. Wundervolle fremde Weite – eines Kaninchenbaus (als nichts anderes stellte sich nämlich mein Start ins Wunderland im Nachhinein heraus).
Alle Kapitel aufzuzählen, erspare ich euch und mir an dieser Stelle. Nur soviel: „Der Tränenteich“ – ja, auch an dem kam ich vorüber und füllte ihn ein wenig auf. Ein „Guter Rat von einer Raupe“ ließ ein wenig auf sich warten. Aber die besten Hinweise erhält man schließlich von den Menschen, mit denen man am aller wenigsten gerechnet hätte. Und „Eine verrückte Teegesellschaft“ öffnete mir am Ende die Augen. Obwohl es statt Tee Kaffee mit Mandelmilch gab.
Und dann „Die Geschichte der falschen Schildkröte“. Was soll ich sagen? Bei manchen Bewohnern eines Kaninchenbaus entdeckt man erst auf den zweiten Blick, dass sie sich mit einem dicken Panzer verkleiden, und dass das, was sie darunter verbergen für einen selbst das völlig Falsche ist.
Ich bin aufgewacht. Rechtzeitig. Und habe zusammen mit Alice noch mal meine ganz eigene Reise durch ein Wunderland erlebt, das ich in meiner eigenen Geschichte nicht missen möchte.
Allerdings …
Als ich las: „… Wach auf, liebe Alice!, sagte ihre Schwester. Du hast aber lange geschlafen! ...“, da spürte ich … Erleichterung.
Und dieses Kribbeln, etwas Wundervolles, wenn auch erschreckendes erlebt zu haben.
Einiges davon bis heute mir völlig unverständlich. Ein Rätsel eben. Wie das des verrückten Hutmachers (für das laut Lewis Carrolls Vorwort gar keine Lösung vorgesehen war). Aber darum ging es ja auch nie, oder?
Ich bin aufgewacht.
Mit neuen Zeichenideen und unbändiger Schreiblust.
Ich erkannte: Neue Welten zu betreten ist etwas Wunderbares. Aber man muss nicht in ihnen wohnen bleiben. Sie können euch auch weiter bringen. Auf neue Wege eben. Zu einem neuen Wunderland.
Wach bleiben heißt es da, für die wahren Wunder des Lebens!
Aufgewacht bin ich übrigens in einem Hotel im Spessart …
Schon mal „Zimmer mit Aussicht“ von E. M. Forster gelesen? Ein Klassiker. Versprochen!
Mehr davon das nächste Mal …
Bis bald!
Eure Simone
SAM Wolf